Feuerwehrleute sind immer mutig


Quelle: Hattersheimer Stadtanzeiger - Jul 13, 2001

HATTERSHEIM (al) - Die Stadt lässt sauber machen; die Experten suchen. Noch immer ist offen, wie es am Wochenende zu dem glimpflich ausgegangenen Tank-Unglück auf einem Speditionsgelände im Gewerbegebiet Ost kam. Heute will das Institut Fresenius die Ergebnisse seiner Umweltuntersuchungen vorlegen, die die Erste Stadträtin Karin Schnick nach dem Unglück veranlasst hat. Es ist davon auszugehen, dass keine Gefahr mehr droht. Experten des Landeskriminalamtes gehen der Frage nach, was die Erhitzung des Phenol-Harzes im den Tanks des Gefahrgut-Lkw auslöste. Eigentlich hätte das nicht passieren dürfen. Was war in den Tanks? Und: Waren die richtig gereinigt worden, bevor neu aufgefüllt wurde? Dies wird nun untersucht.

Alles seine Ordnung

Leute, die sich angesichts des Unglücks und der zwischenzeitlich drohenden Katastrophe Sorgen machen, können eigentlich nicht beruhigt werden. Es hatte alles seine Ordnung. Laster mit gefährlichen Produkten sollen zwar nicht, dürfen aber auch in Wohngebieten abgestellt, geparkt, werden.

Erste Stadträtin Karin Schnick hat das durch das städtische Ordnungsamt recherchieren lassen. Gefahrgut-Lkw können, auch befüllt, maximal l4Tage geparkt werden, (nur) nach Möglichkeit nicht in der Nähe von Siedlungen oder Menschenmengen. Eine europaweite Richtlinie (ADR) regelt das.

Nun mag der Unglücks-Tank-Fahrer mit der Rückkehr auf das Speditionsgelände korrekt gehandelt haben, in dem er keine Möglichkeit sah, seinen Laster woanders zu parken. Doch wird womöglich zu seinem Problem, dass das Phenolharz zu warm war und dass er das wusste. Schließlich war das Produkt eines Biebricher Chemiewerks an seinem Bestimmungsort in der Schweiz nicht angenommen worden. Die Empfänger wiesen es -wegen der erhöhten Temperatur zurück. Andererseits: der Fahrer ist kein Chemiker; er muss sich auf die Fachleute verlassen können, die ihm ihre gefährlichen Stoffe anvertrauen. Und die Schweizer Nichtabnehmer hatten wohl keine Warnung ausgesprochen.

Üblicherweise stehen Gefahrguttransporter auf öffentlichen Parkplätzen rum, zum Beispiel an den Autobahnen und dort vor allem dann, wenn das Fahrverbot für den Schwerlastverkehr an den Wochenenden herrscht. Üblicherweise fällt das kaum auf, und üblicherweise macht sich auch kaum jemand Gedanken darum.

Noch ein Laster

In Hattersheim aber hat eine Katastrophe gedroht. Neben dem Unglücks-Lkw stand weiteres Gefahrgut: ein Tanklastzug mit Methanol. Der herbeigeeilte Fahrer und ein sehr Freiwilliger der Feuerwehr haben den aus der Halle rausgefahren - rückwärts und Vollgas. Nicht auszumalen, wenn Phenolharz und Methanol-Laster in die Luft geflogen wären.

Es waren auch Feuerwehrleute, die am Sonntag Mittag auf den zweiten erhitzten Tank kletterten, um den Druck im Inneren entweichen zu lassen. Sie lösten langsam eine der vier Schrauben des Domdeckels und ließen den Phenolharz-Dampf ab. Sie taten das, obwohl beim ersten Tank dieser Domdeckel (Verschluss) in die Luft gesprengt und durch das Hallendach geflogen war. "Feuerwehrleute sind immer mutig", kommentiert Stadtbrandinspektor Thomas Krüger diesen Vorgang. Das Risiko sei kalkulierbar gewesen - durch Berieseln hatten die Wehrleute die Tank-Temperatur und den Druck der Ladung verringern können.

Und noch ein Nachtrag: zu Beginn der Aktion, als nach der Explosion am Samstag kurz nach acht niemand wusste, was in der Speditionshalle abging und welche Gefahren da möglicherweise drohten, brachen Feuerwehrleute die Türen zur Fahrerkabine des Tankzuges auf, um die Transportpapiere rauszuholen und damit Informationen über die Ladung zu gewinnen.

Erst dann konnte zielstrebig gehandelt werden: Der explodierte Tank wurde mit Wasser gefüllt. Den zweiten Phenolharz-Tank des Sattelauflegers ließ man unbehandelt. Er hatte eine Temperatur zwischen 22 und 23 Grad - sie lag damit im grünen Bereich. Das sich die sechs Tonnen Phenolharz ebenfalls erhitzten, war am Sonntag morgen danach die unangenehme Überraschung.

Technikwelt"

Stadtbrandinspektor Thomas Krüger schätzt ( Ich habe die Schäfchen noch nicht gezählt"), " dass 70 Feuerwehrleute aus dem Stadtgebiet am Wochenende im Einsatz waren. Rund 300 Rettungskräfte waren insgesamt auf dem und rund um das Speditionsgelände, zusammengeholt für den Fall, dass die Lage eskaliert wäre.

Das ist zum Glück besonders für die Menschen in der Schützenstraße und im nahen Südring-Hochhaus, nicht eingetreten. Doch Krüger und seine ehrenamtlichen Kollegen müssen auch im Nachhinein noch viel Beruhigungsarbeit bei besorgten Bürgern leisten. Die wundern sich, dass so eine Beinahe-Katastrophe in einem Wohn- und Gewerbegebiet passieren kann. Doch "in unserer Technikwelt", so der Stadtbrandinspektor, sind Risiken nunmal nicht auszuschließen.

Folie drüber

Risiken ausschließen möchte Erste Stadträtin Karin Schnick aber zumindest für mögliche Nachwirkungen des Unglücks. Sie ließ das Institut Fresenius, wie berichtet, Wisch- und Bodenproben in der Umgebung der Spedition nehmen, um Gefahren durch den Phenolharz-Niederschlag auszuschließen. Die Ergebnisse sollten am heutigen Freitag Nachmittag vorliegen. ,;Wir gehen davon aus, dass da nichts mehr ist", so Schnick, die mit den Untersuchungen auf "Nummer Sicher" gehen wollte.

Mehrfach musste die Stadt die Schützenstraße reinigen, weil immer wieder bernsteinfarbene Harz-Klümpchen vom Dach der Unglückshalle herabgeweht wurden. Das Vordach der Halle, das bis an die Straße heranreichte, wurde deswegen abgebaut - was dann noch runterkam, blieb auf dem Speditionsgelände liegen. In einigen Händeln mit Versicherungen setzte die Erste Stadträtin auch durch, dass das Hallendach grob gereinigt und am gestrigen Donnerstag abgedeckt wurde. Bei der Explosion am Samstag war das Dach aufgerissen worden. Fontänenartig war das flüssige Phenolharz durch die Öffnung geschossen. Später, beim Abkühlen, verhärtete es sich zu einer Bröckchenschicht auf dem bemoosten Hallendach. Das Dach wurde nur mit Wasser abgespritzt. Eine vollständige Reinigung war nicht möglich, weil der Strahlerdruck zu groß gewesen wäre.

 
Schauen Sie sich auch die Einsatz-Details des folgenden Einsatzes an:
Explosion eines Tankzugs in Speditionslagerhalle
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