Die wuchernde Bürokratie


Quelle: Höchster Kreisblatt - Jul 9, 2013

Auch bei den Feuerwehr wird der Papierkram immer umfangreicher - Das ist nicht gerade motivierend

Für das ganz normale Alltagsgeschäft fehlt oft die Zeit, sagt nicht nur Kreisbrandinspektor Joachim Dreier.

Main-Taunus. In seinem Jahresbericht nimmt Joachim Dreier kein Blatt vor den Mund. Seit Jahren sei die Rede von Entbürokratisierung, von Budgetierung und Eigenverantwortung, sagt der Kreisbrandinspektor. Aber all dies bleibe Theorie. „Im Gegenteil werden immer mehr Hürden, neue, kompliziertere Verfahren und Vorschriften, immer mehr Hemmnisse unter dem Deckmäntelchen der Kosteneinsparung und Standardisierung eingeführt.“

Und das bleibt nicht ohne Folgen. Offensichtlich merke keiner, schimpft Dreier, dass es unter dem Strich teurer werde und die Motivation vieler auf der Strecke bleibe. Außerdem fehle die Zeit für das Alltagsgeschäft. Dass dies seit Jahren eines der Hauptprobleme der Feuerwehr sei, so Dreier, habe er auch in früheren Berichten schon angesprochen. Nur sei offensichtlich keiner bereit, dieses heiße Eisen anzufassen.

Was meint Dreier konkret? Da gibt es auf Landesebene die Regelung, dass Erlasse nach einer gewissen Zeit automatisch auslaufen. Wenn sie weiter in Kraft bleiben sollen, werden von der Feuerwehr Stellungnahmen gefordert. So sorgt für jede Menge Arbeit, was eigentlich den Vorschriftendschungel lichten soll.


Vorschriftenwust

 

Trotzdem ändert sich ständig irgendeine Vorschrift. All dies muss in die tägliche Arbeit einfließen, etwa beim vorbeugenden Brandschutz, eine der Hauptaufgaben des Brandschutzamtes beim Kreis. Alleine sechs Mitarbeiter sind damit beschäftigt. Zu jedem Bebauungsplan müssen Stellungnahmen abgegeben, öffentliche Gebäude immer wieder auf Brandsicherheit geprüft werden. All das ist auch mit Bürokratie verbunden - die Mitarbeiter sind ausgelastet.

Der Papierkrieg macht auch vor den Wehren in den Kommunen nicht halt, den Stadtbrandinspektoren fallen übereinstimmend zwei Themen ein. „Bei jeder Beschaffung ab 500 Euro müssen wir mehrere Angebote einholen“, berichtet Eppsteins Stadtbrandinspektor Hans Menke. Schon wenn man ein Seil bestellen möchte, seien mehrere Stellen damit beschäftigt - und am Ende komme gelegentlich noch das falsche Seil an, lästert sein Sulzbacher Amtskollege Jochen Bauer.

Zweites Thema ist das eigene Personal. Jede Übung muss dokumentiert werden, und auch jede Lehrgangsteilnahme eines Feuerwehrmannes. Hattersheims Stadtbrandinspektor David Tisold weist außerdem darauf hin, dass alle Geräte in kurzen Intervallen, zumeist jährlich, offiziell geprüft werden müssen - auch das ist wieder mit viel Papier verbunden. Ob Atemschutz, Führerscheine oder Kinderfeuerwehr, alles bringt auch Aufwand im Büro.

Eine Folge ist, dass nach Dreiers Überzeugung wichtiges auf der Strecke bleibt. Was der demografische Wandel für die Feuerwehren bedeute, darüber müsse man einmal gründlich nachdenken, sagt der Kreisbrandinspektor. Aber wann, wenn sich immer neue Aktenberge auf dem Schreibtisch türmen. Dabei wären diese Überlegungen durchaus interessant auch für die Kommunalpolitik, die sich in allen Städten und Gemeinden sehr dafür interessiert, dass es intakte Feuerwehren gibt. Allerdings tragen die Informationsbedürfnisse der Kommunalpolitiker ebenfalls dazu bei, dass zusätzliche Arbeit entsteht, lassen die Feuerwehrleute durchblicken. Ob das wirklich alles unvermeidbare Demokratie-Kosten sind?


Folgekosten

 

Finanzielle Belastungen bringt all die Bürokratie bei der Feuerwehr den Kommunen jetzt schon. Bis vor zwei Jahren habe er den Hattersheimer Stadtbrandinspektor ehrenamtlich gemacht, sagt Tisold. Aber nicht zuletzt wegen der zunehmenden Bürokratie sei das nicht mehr möglich. Dabei erledigen davon die Wehrführer in den Stadtteilen einiges mit, obwohl die sich unter Engagement bei der Feuerwehr auch anderes vorgestellt haben.

Ähnlich ist die Situation in fast allen Kommunen, mittlerweile gibt es neben den vielen ehrenamtlichen auch jeweils einige hauptamtliche Feuerwehrleute in den Städten. Sulzbachs Gemeindebrandinspektor Jochen Bauer gehört zu den Führungskräften, die es ehrenamtlich machen, er beziffert den Aufwand dafür auf einen Arbeitstag wöchentlich. Und auch in Sulzbach funktioniert das nur, weil Bauer ein Team hat, auf das er die Aufgaben verteilen kann.

In Sulzbach habe man auch schon über einen Hauptamtlichen für die Feuerwehr nachgedacht, berichtet Bauer. Zum einen werde man keinen finden, der sich gleichermaßen um die Arbeit im Büro und die Pflege von Fahrzeugen und Material kümmern kann, so Bauer. Er fürchtet außerdem, dass das ehrenamtliche Engagement nachlässt, wenn es jemanden gibt, der die Arbeit hauptamtlich macht und bezahlt bekommt.

„Dann bleibt eben auch mal einiges Privates auf der Strecke“, benennt Bauer den Preis dafür. Wenn viel zu tun sei, könne nicht alles gleich erledigt werden, schildert Eppsteins Hans Menke eine weitere Folge. Kreisbrandinspektor Dreier will all das nicht mehr lange akzeptieren. Ihm schwebt vor, eine Arbeitsgruppe vorzuschlagen, die sich über Möglichkeiten zur Entbürokratisierung einmal unterhalten soll. Wann es diese Gruppe geben wird? Wenn all der aktuelle Papierkram erledigt ist . . .

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